Literatur
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»Wie Dinge sind« will gg festhalten

Die kanadische Comiczeichnerin gg wird in ihrem Buch »Wie Dinge sind« zur stillen Beobachterin einer Welt, die sich minimalistisch schick präsentiert.

Im Zentrum dieser Geschichte steht eine junge Frau, Hobby-Fotografin, die darauf aus ist, in ihren Bildern die Wirklichkeit zu fassen zu kriegen. Sie ist die Tochter einer Eingewanderten. Die Arbeit hat genagt am nun ausgelaugten, beschädigten Körper ihrer Mutter, die an die angesprochene Mutter in Ocean Vuongs »Auf Erden sind wir kurz grandios« erinnern kann. Eine bedrückende Stimmung herrscht in der Familie vor, Reue, Erschöpfung, Erwartungen.

 

Eines Tages fotografiert die Protagonistin zufällig eine fremde Frau, die ihr auffällt und auffällig ähnlich sieht. Aus Neugierde geht sie ihr nach und wird vor dessen Wohnung fälschlicherweise von der Nachbarin für die Fremde gehalten. Nun gleitet die Protagonistin immer weiter ab in ein fremdes Leben und in eine Sphäre zwischen Wachen und Träumen. Erinnerungen an ihre Kindheit werden mit all ihrer belastenden Schwere und Schuldgefühlen wieder wach.

 

Sie entscheidet sich schließlich, im Leben der anderen zu verweilen, die scheinbar mehr Eigenständigkeit und Freiheiten hat – hier bricht sich der unausgesprochene Wunsch nach einem Ausbruch aus den Erwartungen der Eltern bahn, die ihr Leben aufgegeben hatten, um den Kindern ein besseres zu ermöglichen.

 

 

»Wie Dinge sind« besticht durch seine Schlichtheit, seinen Minimalismus, sein Schweigen. Wie ein stylischer Film Noir-Stummfilm liest sich der knappe Comic-Band, wobei die Bilder eine bestechende Klarheit und Melancholie haben, sie kreieren gleichzeitig eine schwerfällige Verlangsamung wie eine schwerelose Sprunghaftigkeit. Vieles schwebt hier im Atmosphärischen mit. Es werden Stillleben, Alltagsszenerien vorgeführt und kaum Narratives vorgegeben.

Das Innere der Protagonistin bleibt einem verschlossen. Wie bei Fotos oder Film-Stills bleibt hier vieles der Leserschaft überlassen, die die Protagonistin – wie diese selbst ihre Welt – still durch die Kameralinse beobachtet.

Wie Dinge sind versucht gg zu greifen und gleitet dabei ab, in eine mit Grauschleiern verhangene Traumwelt außerhalb der Zeit, Wie Dinge sind versuchen wir vergeblich zu verstehen. Die Graphic Novel lässt mehr unausgesprochen und vage angedeutet als erzählt wird und das ist erstaunlich anregend.

Eine schwerelose stylisch-cleane IKEA-Katalog-Ästhetik, kontrastreich ausgeleuchtet, in dessen Kulissen die bedrückende Schwere des Migrantenlebens (in zweiter Generation) einbricht.

Eine Graphic Novel wie ein raffinierter Arthouse-Kurzfilm, in dem viel geschwiegen wird.

 

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»Wie Dinge sind«, getextet und gezeichnet von gg, umfasst 104 Seiten, erschien im Oktober 2020 im Avant-Verlag und kostet als Softcover 14,00 €.

 

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