Literatur
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Dahinplänkelnder Überlebenskampf: Yukio Mishima »Leben zu verkaufen«

Japanischer Thriller aus ironischer Distanz

»Aber plötzlich war ihm der Gedanke an Selbstmord gekommen, so wie man auf die Idee kommt, ein Picknick zu machen, doch als er jetzt angestrengt nach einem Grund dafür suchte, fiel ihm nicht der geringste ein. Wahrscheinlich hatte er genau deswegen versucht, sich umzubringen.« (6)

Hanio ist ein seltsamer Kerl. Mit seinen 27 Jahren hat er plötzlich keine Lust mehr zu Leben. Als ihn die Schlaftabletten dann aber lediglich ins Krankenhaus statt ins Jenseits befördern, wird er unfreiwillig in sein Leben zurückkatapultiert. Und er beschließt aus einer Laune heraus, etwas Verrücktes damit anzustellen. Er schaltet eine Anzeige, in der er sein Leben zum Verkauf anbietet.

»Leben zu verkaufen. Verfügen Sie frei über mich. Ich bin männlich, 27 Jahre alt und kann Geheimnisse wahren. Keinerlei Unannehmlichkeiten.« (10)

Und die Käufer kommen in Scharen. Alle wollen sie einen Spieler für knifflige Missionen, Bedingung: lebensgefährlich. Da Hanio dem Tod emotionslos gegenübersteht, ergreift er die Chance, Außergewöhnliches zu erleben. Er macht Bekanntschaft mit einer Ganovenbraut, einer Vampirin, einer mysteriösen Todeslexikon-Besitzerin und den Schlägertypen eines angeblich nicht existierenden Geheimdienstes Slash Mordsyndikats. – Und wie durch ein Wunder überlebt der Lebensmüde das alles unverhofft und springt stattdessen mit jeder auftauchenden Frau ins Bett, während sich hinter ihm der Weg mit fremden Leichen pflastert…

»Wir haben nur für einen kurzen Moment miteinander das gefährliche Zahnrad der Welt bewegt, stimmts? Normalerweise kommt die Welt dabei nicht in Gang, doch wenn man sein Leben wegwerfen will, kann schon mal ein Mord geschehen. Ist das nicht großartig?« (40)

 

 

»Erschöpft vom Sterben« (159)

»Niemand ist unglücklicher als die Menschen, die anderen ihr Leben abkaufen, um es für sich zu verwenden. Sie stehen am Abgrund ihres Lebens. Alle meine Kunden waren bemitleidenswerte Gestalten.« (175)

Bei aller Lakonie und ironischen Distanz langt der Erzähler hin und wieder tief in den lebensphilosophischen Weisheiten-Topf. »Leben zu verkaufen« ist wie ein Film Noir in den 60ern, ein allerding seltsam repetitiv episodischer Thriller. Jede*r Kund*in Hanios führt ihn in eine mit Spannungspotenzial geladene Situation, die dann vom Protagonisten kaltschnäuzig durchlaufen und auf wenigen Seiten abgehandelt wird. Der Running Gag, dass Hanio das alles wider Willen überlebt, obwohl er ein eher durchschnittlicher Typ ist, nutzt sich schnell ab. Immer wieder wird auch der Witz eingestreut, dass er von allen für ein Profi unterschiedlichster Profession gehalten wird, obwohl in Wahrheit nur Glück, Zufall und Irrtum am Werk sind. Gelegentlich zeigt sich im Text dann noch ein Hang zum verstörend Surrealen, was mich in der fast autistisch trockenen Erzählung etwas verwirrt hat.

Beklemmend wird er erst, als Hanio mit einer suizidalen Hypochonderin zusammenzieht und plötzlich Angst vor dem Sterben bekommt. Bis dahin perlt der Actionplot aber spurlos an einem ab, weil die Erzählerfigur eine so durch und durch willenlose, apathische Person ist. Diese Grundkonstellation soll ironischen Witz bis hin zur Genresatire bieten, gerät aber eher fad.

Ein gewollt komödiantischer Genremix, der für mich einfach nicht aufgehen will.

 

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»Leben zu verkaufen« von Yukio Mishima, aus dem Japanischen übersetzt von Nora Bierich, umfasst 240 Seiten, erschien am 6. Oktober 2020 bei Kein & Aber und kostet als Hardcover 22,00 €.

 

 

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