Literatur
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Büke Schwarz entscheidet sich für »Jein«

»Kunst hat mit Moral nichts zu tun. Kunst hat mit Demokratie nichts zu tun. Kunst ist Kunst!« (208)

Die Graphic Novel »Jein« ist Büke Schwarz‘ Debüt, hier erzählt sie von einer jungen deutsch-türkischen Künstlerin in Berlin, die in ihren Gemälden Geschichten erzählen möchte und sich sicher ist, dass ihr Werk nichts zu tun hat mit dem Heimatland ihrer Eltern. Doch das ändert sich mit dem viel diskutierten Verfassungsreferendum am 16. April 2017, bei dem 51 % der Türk*innen für evet, für Ja zu der Präsidentschaftsreform von Erdoğan gestimmt haben und ihm damit die Macht verliehen, Stück für Stück die Demokratie in der Türkei auszuhöhlen.

 

Die Ausstellung, die zum Gewinn der vier Kunststipendiat*innen zählt, zu denen auch Elâ gehört, trägt ebenfalls den Titel »Jein« und will so die Stellungnahme verweigern, was in der heutigen Zeit einer Provokation gleichkommt. Und trotz dieser Verweigerungsstrategie versteht sich die Protagonistin Elâ hier zum ersten Mal als politische Künstlerin, selbst wenn sie den Begriff an sich problematisch findet. Nicht zuletzt die Medien zwingen sie, sich zu den Entwicklungen in der Türkei zu verhalten und ein Interview entfaltet verhängnisvolle Auswirkungen. Überraschend taucht während der Konzeption der Ausstellung auch noch ihr konservativer türkischer Vater auf und versucht Einfluss auf Elâs Leben und ihre Kunst zu nehmen. Wie soll sie ihren eigenen Weg zwischen Tradition und Moderne, Systemkritik und l’art pour l’art, zwischen Türkei und Deutschland, zwischen Ja und Nein finden?

 

Die Tugend der Verweigerung

»Jein« führt uns die Veränderungen in Elâs zweiter Heimat vor Augen und welchen Einfluss die auch auf sie hierzulande haben. Sie gibt sowohl den Türkeikritiker*innen als auch der Ja-Fraktion eine Stimme, streift Themen wie Free Deniz Yücel und die Gülen-Bewegung. In »Jein« geht es um Zensurverschärfungen und Selbstzensur, um Herkunft und Identität und schließlich um die Interdependenz von Kunst und Politik, aber auch um Berlin, eine prätentiöse Kunstwelt und den Film »Manifesto«.

Jein ist bei Büke Schwarz kein Zeichen der Schwäche oder die Vermeidung, eine klare Stellung zu beziehen. Auch wenn Elâ das Referendum wohl mit Nein beantworten würde, setzt sie sich unter dem Zeichen Jein nochmal neu und unter veränderten Vorzeichen mit ihrer Zweitheimat, der Türkei, auseinander und lässt den Gedanken zu, dass die Dinge komplexer sind als viele behaupten.

Büke Schwarz erzählt ihr Debüt pointiert mit einer beeindruckenden Klarheit und gleichzeitig lakonisch, locker, verspielt und humorvoll. Eindrücklich und wunderschön sind besonders die farbigen Kapitelintros. In »Jein« werden keine Meinungen ausbuchstabiert und Widersprüche und Leerstellen müssen ausgehalten werden. Der Anhang lädt dann aber zur genaueren Beschäftigung mit den angerissenen Themen und Hintergründen ein.

 

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Die Graphic Novel »Jein« von Büke Schwarz umfasst 232 Seiten, erschien am 13. Februar 2020 im Jaja Verlag und die Klappenbroschur kostet 24,00 €.

 

 

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