Alle Artikel mit dem Schlagwort: Briefroman

Ocean Vuong »Auf Erden sind wir kurz grandios«

Nach seinem gefeierten Gedichtband »Nachthimmel mit Austrittswunden« erscheint nun das Romandebut des vietnamesisch-amerikanischen Dichters Ocean Vuong – ein Text, der genau wie sein Autor zwischen Prosa und Lyrik schwankt und eine kraftvolle Geschichte von Krieg und Gewalt, Flucht, Ausgrenzung, Liebe und Tod erzählt, und vom Versagen des ›Amerikanischen Traums‹. »Ich erzähle dir weniger eine Geschichte als ein Schiffswrack – die Teile dahintreibend, endlich lesbar.« (182) Dieser wohl autofiktionale Text nimmt die Gestalt eines Briefes an die Mutter an, eine Nagelstudioarbeiterin in Connecticut, die weder Englisch noch überhaupt Lesen kann. »Ich traue mich nur deshalb, dir zu erzählen, was jetzt kommt, weil die Chancen, dass dieser Brief dich findet, gering sind – nur der Umstand, dass es dir nicht möglich ist, all das zu lesen, macht es mir möglich, es zu erzählen.« (113) Seine Großmutter Lan, die damals vor ihrem ersten Mann weggelaufen war, hatte sich als Bauernmädchen in Vietnam während des Kriegs in einen US-Soldaten verliebt – die gesamte Familiengeschichte des Protagonisten wurzelt also im Krieg, ist die Saat der Gewalt. Aufgewachsen ist der Ich-Erzähler, …

Zsuzsa Bánk »Schlafen werden wir später«

»Schlafen werden wir später« ist ein moderner Briefroman, also ein Emailroman, zwischen den beiden Freundinnen und Mitvierzigerinnen Márta und Johanna. Zsuzsa Bánk gelingt ein überwältigend herzerwärmender Roman, sie bietet einen unendlichen, minutiösen Detailreichtum und erschafft ganze Leben, was dazu führt, dass man den zwei Protagonistinnen so nah wie guten Freunden kommt und beglückt wird von deren bedingungsloser Liebe! Zsuzsa Bánk macht den Briefroman wieder salonfähig! Diese unzähligen kurzen Briefe, die eine Zeitspanne von drei Jahren erfassen und die jeder auch für sich stehen können, erzählen auf der einen Seite von den Existenzängsten einer Schriftstellerin mit ungarischen Wurzeln, der Belastung durch drei kleine Kinder, von Eheproblemen, dem Vermissen der besten Jugendfreundin, dem Sehnen nach einem besseren Leben, dem anklopfenden Tod, manchmal schleichend, manchmal sehr plötzlich, dem Leiden an zu erfüllenden Rollen und zu wenig Unterstützung. Auf der anderen Seite der Briefreihe steht die promovierende Deutschlehrerin Johanna, die an ihrem kinderlosen Singleleben leidet, die nicht über ihren Ex hinweg kommen kann, über ihre Markusmelancholie, die sich in die Provinz des Schwarzwaldes zurückgezogen hat, dort zwar ihren Krebs …