Literatur
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Witzig! Das Känguru ist zurück:
Marc-Uwe Kling »Die Känguru-Apokryphen«

»›Viele sagen, man soll dann gehen, wenn es am schönsten ist, aber ich finde, man soll lieber dahin gehen, wo’s am schönsten ist.‹ Das Känguru« (S. 7)

Und wie schön ist es in der WG mit einem kommunistischen Känguru!

Der vierte Band der beliebten Känguru-Reihe ist weniger eine Fortsetzung, als eher eine Zugabe für treue Fans. Statt die Handlung der Vorgänger wieder aufzunehmen, werden einfach weitere Anekdoten und ulkige Dialoge beigesteuert, es handelt sich um nicht verwendete Kapitel aus der sprichwörtlichen Schublade, um Geschichten aus Anthologien und Live-Programmen.

Der Schabernack beginnt hier schon in sämtlichen Paratexten. Es werden falsche Zitate als Motti vorangestellt, gefolgt von einem überflüssigen »Was bisher geschah« in Veräppelung traditioneller Seriennarrative und einem Vorgespräch über Titel und Sinn einer Fortsetzung.

Und was hat es nun mit diesem kryptischen Titel auf sich, den sich eh keiner merken kann?

Apokryphen sind religiöse Schriften, die es nicht in die Bibel geschafft haben, weil sie zu widersprüchlich oder ketzerisch waren, erklärt Kling – nun also auch Bonusmaterial zu den heiligen Känguru-Schriften, in diesem Fall kurze, bisher nicht verwendete Episoden nicht in chronologischer sondern witziger Reihenfolge, trotzdem nehmen einzelne Geschichten leicht Bezug aufeinander.

Im Großen und Ganzen geht es darum, Bestehendes und Hingenommenes zu hinterfragen, unsere politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge zu beleuchten und dabei nicht in Depressionen zu verfallen, sondern im Gegenteil Mut zu schöpfen und ordentlich abzulachen. Dabei gibt der Kleinkünstler mal wieder unnützes Germanistik-Fachwissen zum Besten, während das Känguru Umsturz und Revolution plant. Wenn sie nicht gerade faulenzen und Eierkuchen essen.

Diesmal im Programm: herrlich absurde Dialoge, Diskussionen und Klugscheißereien über Nerd-Shirts, das Ford-Selleck-Theorem, Gerhard Schröder auf dem Fußballplatz, das Judasevangelium, Invasionspläne, Algorithmen und darüber, ob sich Nazis selber Nazis nennen.

Außerdem erfährt das altbewährte Schnick-Schnack-Schnuck-Entscheidungssystem eine bedeutende Neuerung: Statt drei bis vier Symbole zuzulassen, ist nun alles erlaubt im »Open-Schnick«. Konkret heißt das, dass Kettensäge Giraffe schlägt und Meteorit gegen alles außer Bruce Willis gewinnt und wieder mal bewahrheitet sich, dass Schnick kein Glücksspiel ist…

Alternative Lebensmodelle und kritische Denkanstöße

»›Diese selbst ernannten Experten und Auskenner sagen immer, wir dürfen den Anschluss nicht verlieren‹, ruft es. ›Was aber, wenn die, die vorausrennen, in die falsche Richtung laufen?‹« (S. 11)

Einzig logische Konsequenz: alles neu denken! Da geht es um Kunst, Kleinkunst, ausgedachte Witze, Gesellschaftsspiele, Berlin, Schnapspralinen, abenteuerliche Geschäftsideen, das Faulenzen, Technik-Bashing, Gott, die Weltpolitik, Erwerbsarbeit, Rassisten, Datenschutz, Star Wars, das Badputzen, Bud Spencer, den Zwang Liedzeilen zu ergänzen, den Kampf des Kommunismus, Revolution, gegen bürgerliche Kategorien und oben drauf jede Menge Fun Facts und tolle blöde Sprüche.

Kling reaktiviert sein altes Personal wie Krapotke, Friedrich-Wilhelm, Gott aka Maria, Herta, das asoziale Netzwerk für Antiterroranschläge und den Pinguin, es schleichen sich aber auch zwei, drei neue Gesichter ein.

Fazit: Nicht neu, aber deshalb nicht weniger gut

»Die Känguru-Apokryphen« versammelt eine ganze Menge ziemlich kurzer Geschichten, die einen wahren Pointen-Hagel garantieren. Besonders schön finde ich die Gedankenspiele, die auf eine Meta-Ebene zielen. Es entsteht, anders als in der Trilogie zuvor, keine Handlung oder gar ein Plot, es handelt sich eher um eine lose Anekdotensammlung, die wie das Zusatzmaterial auf der zweiten DVD als Schmankerl nachgereicht wird.

Sehr kurzweilig und gewohnt witzig ist dieser vierte Teil, auch wenn eigentlich kaum neue Themen oder Motive bemüht werden. Bei all der Systemkritik wirft Kling auch einen ironischen Blick auf Links-Intellektuelle.

Es ist ein Wiedersehen mit dem tollsten Beuteltier der Welt, das wir einfach noch nicht gehen lassen wollen. Geboten wird nichts weniger als eine Eskalationskaskade Loriot’scher Dialoge und ein Blick auf die schönste, angriffslustigste Freundschaft der Literaturgeschichte. Ach ja, und außerdem:

»Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Nationalismus keine Alternative, sondern eine Katastrophe ist.« (S. 199)

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»Die Känguru-Apokryphen« von Marc-Uwe Kling umfasst 208 Seiten, erschien am 12.10.2018 bei Ullstein und zwar ausschließlich als Taschenbuch für 9,00 €.

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