Literatur
Schreibe einen Kommentar

Die »Sieben Nächte« des
Simon Strauß

Kann das schon alles gewesen sein? Auf der Suche nach Mehr..

Das nur knapp 150 Seiten schlanke Debut des jungen FAZ-Feuilletonisten, ist leidenschaftlich und mutig, der Versuch eines Endzwanzigers, dem vorgezeichneten Weg noch ein letztes Mal zu entkommen und etwas zu wagen, bevor das Leben dann endgültig den öden Bahnen eines erwachsenen Erwerbstätigen folgt.

Leider kann nicht gehalten werden, was der großartige Prolog, der einen zu jubelnden Zustimmungsrufen treibt, verspricht…

»Schließt die Augen. Und zerbrecht das Glas…« (S. 23)

S. ist fast dreißig und genau das macht ihm Angst. Auf keinen Fall möchte er plötzlich feststellen, dass seine Jugend unbemerkt endete und Tristesse und Routine des Erwachsenenlebens Einzug erhalten hat. Er fürchtet sich vor den großen Entscheidungen des Lebens, sehnt sich nach einer Reifeprüfung, um noch nicht erwachsen werden zu müssen. Sehnt sich danach, nochmal etwas Verrücktes zu tun, bevor es nur noch um die Karriereleiter geht. S. ist ein Sympathiesüchtiger, ein einsamer Konformist, ein privilegierter Schwächling, der seine letzte Chance zur Rebellion nutzen will.

»Der einzige Kampf, der sich jetzt noch lohnt, ist der ums Gefühl. Die einzige Sehnsucht, die trägt, ist die nach dem schlagenden Herzen.« (S. 15)

Aus diesem Grund schließt S. einen Pakt mit einem entfernten Bekannten: Sieben Streifzüge durch die Stadt in sieben Nächten, um sieben Todsünden nachzuspüren, sieben Stürme zu entfachen und schließlich darüber zu schreiben. Er muss sich seinen Ängsten und vor allem sich selbst stellen. So wird er sich von einem Hochhaus stürzen, ein Steakrestaurant plündern, sich selbst zu Hause beim Alleinsein zuschauen, auf die falschen Pferde wetten, sich nostalgisch in der Bibliothek umschauen, einer Fremden auf einem Maskenball hingeben, mit einem Freund auf einer Autofahrt überwerfen. Sich von Neid, Wut und Arroganz durchströmen und zur totalen Faulheit, Maßlosigkeit und Polyamorie hinreißen lassen.

»Ich werde eingehen auf seinen Vorschlag: Werde gierig, hochmütig und faul sein, neiden und wüten, Völlerei und Wollust treiben […], um der drohenden Zukunft noch einmal zu entkommen.« (S. 21)

 

Schöne Idee, enttäuschende Umsetzung

Pro Kapitel eine Todsünde also. Was sich wie eine nette Idee anhört und durchaus gut liest, lässt in der Umsetzung leider sehr zu wünschen übrig. Strauß‘ Protagonist monologisiert das ganze Buch über. Dabei entsteht so gut wie keine Handlung und auch in Sachen Sünde kann der Roman nicht überzeugen. Der Text bleibt lediglich in Gedankenspielen verhaftet, es wird wahllos losassoziiert und bei diesem Themen-Hopping ist über weite Strecken kein Bezug zur angeblich durchlebten Sünde erkennbar. Völlig random werden Gedanken montiert, die ein melancholisches, nostalgisches Bild einer Generation zeichnen. Auch die erhoffte Entwicklungsgeschichte bleibt aus: S. durchlebt seine sündige Rebellion nicht wirklich, stattdessen reihen sich mehr oder weniger gescheiterte Versuche eines zumindest sympathischen Verlierers aneinander, und auch die werden schließlich von einem resignativem Ende ausgebremst.

»Immer wenn ich allein bin, stelle ich mir vor, es schaute mir jemand beim Alleinsein zu. Ich spiele mein Leben einem unbekannten Zuschauer vor. […] Ich würde ihn gern einmal kennenlernen […].«

Das Scheitern hübsch verpackt

Dennoch kann sich Simon Strauß‘ Debut sehen lassen! Immerhin wird der Versuch einer Reifeprüfung des modernen Peter Pan in eine sehr ansprechende essayistische Sprache gekleidet. Und auch die auftauchenden Themen der Gedankenströme wie z.B. Digitalisierung, Turbokapitalismus, Generationenkonflikte und klassische Werte werden intelligent, wenn auch äußerst knapp, verhandelt. Das Ganze wird dann noch von einem gewohnt stylischen Blumenbar-Cover gerahmt.

An alle Träumer!

»Sieben Nächte« ist ein passioniertes Plädoyer für Mut, Wildheit und Gefühl, das intensive Leben, Anderssein, Neumachen und Fragenstellen. Es ist eine Suche nach dem Ich und der Freiheit, ein intelligenter Kommentar auf aktuelle Themen. Der sympathische Anti-Held träumt von einem Geheimclub, der »Neuen Sinnlichkeit«, und säht auch im Leser die Sehnsucht nach Gegenwelt und Utopie. Der Roman ist ein Aufruf, wieder auf seine Träume zu hören.

»In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine – nicht nur, weil dann die zweite Bettdecke kalt bleibt, sondern auch weil so die bösen Geister nicht mehr losen müssen, wem sie zuerst ans Herz greifen.« (S. 22)

»Sieben Nächte« von Simon Strauß ist bei Blumenbar (Aufbau Verlag) im Juli 2017 erschienen. Das Romandebut umfasst 144 Seiten und kostet als Hardcover 16,00 Euro.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert