Alle Artikel in: Film

Aynur ist »Nur eine Frau« – Filmkritik

Eine junge, lebenshungrige Deutsch-Türkin stellt sich gegen die Unterdrückung und muslimischen Traditionen ihrer Familie, um ein selbstbestimmtes, freies Leben zu führen. Ein Leben ohne ihren gewalttätigen Ehemann, der ihr Cousin ist und mit dem sie im Alter von 16 Jahren verheiratet wurde. Ein Leben ohne Kopftuch, weil sie nicht mehr versteht, was Allah gegen ihre Haare hat. Ein Leben ohne das Korsett von strengreligiösen Traditionen, die ihr ein Leben als demütige Hausfrau vorschreiben. Für ihren Mut, ihren westlichen Lebensstil und die „Schande“, die sie über die Familie damit brachte, musste sie büßen: Am 7. Februar 2005 wird die 23-jährige Aynur von ihrem jüngsten Bruder auf offener Straße erschossen. Mitten in Berlin, vor ihrer Wohnung, in der ihr fünfjähriger Sohn auf sie wartet. Das ist nicht nur eine Geschichte, sondern abscheuliche Realität: Der Ehrenmord an Hatun Sürücü (genannt Aynur) geschah in Berlin Tempelhof. Nach einer wahren Geschichte In diesem Film kommt die Tote zu Wort. Während Almila Bagriacik (bekannt aus 4 Blocks) Aynur verkörpert, ist ihre Stimme zugleich im Voice-Over zu hören. Kommentierend und wertend erzählt die …

#FEMALE PLEASURE – ein Film, der begeistert

Diese Doku berührt, bewegt, klärt auf, packt und treibt uns vorwärts. Sowohl Dramaturgie, Musik, Montage wie Bilder überzeugen und reißen einen mit, bis man am liebsten aufstehen und die Faust – wie auf dem Filmplakat – in die Luft stoßen will. Der Film kommt mit der klaren Aussage: Es geht nicht darum, ein Geschlecht über das andere zu stellen, sondern unser aller Denken muss sich ändern. Ein Thema, das noch immer nicht an Relevanz und Brisanz verloren hat. Ein Film, den unbedingt auch möglichst viele Männer gucken sollten. Fünf Mal Unterdrückung und Kampf Die Doku erzählt die Geschichte von fünf Frauen aus unterschiedlichen Ecken der Welt, die den fünf großen Buchreligionen angehören. Doch egal welche Religion, sie alle legen ihre Heilige Schrift und Glauben so aus, dass sie den patriarchalen Machtanspruch legitimieren und festigen. Frauen werden systematisch als gefährlich, unrein, sündhaft und defizitär erklärt, sie werden kontrolliert, entmachtet und ihre Körper mit Scham- und Minderwertigkeitsgefühlen belegt. So lernen wir Deborah Feldmann aus einer ultraorthodoxen jüdischen Community in New York kennen, die zwangsverheiratet wurde und schließlich …

»Es war einmal Indianerland« (Film) –
Coming-of-Age mal anders?!

»Und das bist du: der Lärm in deinem Kopf.« Mauser ist 17 und kommt aus einem Hochhausviertel am Stadtrand von Hamburg. Sein Leben wird geprägt von unverputzten Brutalismus-Platten-Fassaden, Gewalt, Kriminalität und Konkurrenz unter den Ghetto-Kids. Um dieser Großstadt-Tristesse zu entfliehen, macht Mauser das Boxen zu seiner Welt. Doch alles gerät schließlich aus den Fugen, als er sich auf einer Party im Schwimmbad in die so schöne wie aufregende Jackie verliebt. Doch was seine Welt so richtig zum Einstürzen bringt, ist, als Kondor, sein bester Freund aus dem Viertel, ihm den Krieg erklärt und zum Duell herausfordert – im Boxring selbstverständlich – und dann auch noch Mausers Vater Zöllner verschwindet, nachdem er im Streit seine Freundin erwürgt hat. Die große Suche führt ihn zusammen mit Edda, der sonderbaren Videotheks-Aushilfskraft, auf ein Musikfestival an der polnischen Grenze: Eine ungewöhnliche Kombination aus dem Versuch, seinen kriminellen, flüchtig gewordenen Vater zu stellen und einem großen, mit Glitter kandierten Drogenrausch als Reise auf den Wellen der Elektromusik ins innere Ich. Und schließlich muss Mauser sich entscheiden… »Denn diese Generation ist …

Filmexperiment: »Manifesto«

Aus seiner Film-Installation, die im Sommer 2015 im Berliner Hamburger Bahnhof als Ausstellung zu sehen war, hat der Künstler Julian Rosefeldt einen experimentellen Film mit Cate Blanchett in den Hauptrollen gemacht. »Art does not come from nowhere or anywhere« Blanchett verkörpert 13 verschiedene Archetypen, die aus verschiedensten Manifesten des 20. Jahrhunderts zitieren. Eine Hommage an verschiedene traditionelle Kunst- und Künstlermanifeste, die sich mit Film, Theater, Performance, Tanz, Architektur beschäftigen und in Form von Monologen, Reden, Vorträgen und Interviews hier thematisiert und rezitiert werden. Regisseur Rosefeldt hat einzelne Texte miteinander kombiniert und fusioniert, jedoch darauf gedacht, dass ihre eigentliche Aussage nicht verfälscht wird. Entstanden sind daraus wunderbare neue Meta-Manifeste.  »Kunst erfordert Wahrheit, nicht Wahrhaftigkeit« Zu hören sind u.a. Texte von Marx, Engels, Lars von Trier bis hin zu Jim Jarmusch. Rosefeldt hebt die einzelnen Manifesten aus ihrem kulturhistorischen Hintergrund und schafft es damit, die Schönheit der Texte, die Poetik einzelner Passagen und Gedanken, zu offenbaren und betonen. Manchmal sind es auch nur einzelne Sätze, die in ihrer Feinheit und mit ihrer Anmut eine Schlagkraft entwickeln, die …

»Mother!« – provokantes Kinoereignis

»Black Swan«-Macher Darren Aronofskys neuer Streifen hat hohe Wellen in der Filmwelt geschlagen. Heiß und kontrovers diskutiert wird »Mother!« seit der Premiere auf den Venediger Filmfestspielen. Dieser umstrittene Film, mit Javier Bardem und Jennifer Lawrence in den Hauptrollen hochkarätig besetzt, will provozieren, soweit sind sich alle einig. Ein Ereignis ist er allemal und als solches wurde »Mother!« mit Ausrufezeichen auch konzipiert. Der Film will verstören, herausfordern, irritieren, schocken und verunsichern, er will unbequem sein und unerwartet, aber in seiner bombastischen Anlage und Ausmaße auch mitreißen und unterhalten. Ein Film, der nicht einfach ignoriert oder konsumiert und kommentarlos vergessen werden kann… Da ist einen Dichter mit Schreibblockade, der mit seiner deutlich jüngeren Freundin und Muse sehr zurückgezogen in einem abgeschiedenen Haus auf dem Land wohnt. Während sie sich um die Renovierung des eigentümlichen Eigenbaus kümmert und er sich an den Schreibtisch zurückzieht, kommen mit der Zeit immer mehr ungebetene Gäste, die das Haus und die Beziehung der beiden Aussteiger auf die ein oder andere Weise in Mitleidenschaft ziehen.   Was wie ein feinsinniges Drama, eine Charakterstudie …

Porto (Film) – ein zärtliches Drama

In die Kulisse der portugiesischen Hafenstadt Porto, geprägt von wunderschönen Gässchen mit mysteriösen, ja fast unheimlichen Charme, zeichnet Jim Jarmuch (ausführender Produzent) die Skizze einer Begegnung zweier junger Menschen, die sich gemeinsam in eine leidenschaftliche Affäre stürzen. In langsamen, ruhigen Bildern und mit schönen Klaviersonaten unterlegt, entwickelt sich eine stürmische und innige Beziehung zwischen dem schüchternen und etwas eigenwilligen Jack (Anton Yelchin) und der liebreizenden, aber sich selbst als verrückt bezeichnenden, Mati (Lucie Lucas). Sie kennen einander kaum, sind sich aber doch vertraut und erleben eine intensive und heftige Liebesnacht miteinander. Vielleicht ist es die Nacht ihres Lebens, denn als sie am nächsten Tag aufwachen, ist der schöne gemeinsame Moment vorbei.  Der gemeinsame Augenblick als auch die Blicke, Worte und Gesten der beiden sind intensiv und voller Zärtlichkeit. In sanften Bildern, lösen sich Gefühle los, die so stark wie ein Sturm einherfallen – Begierde, Liebe, Zweifel, Unsicherheit – und verschwinden allmählich in den dunklen Gassen der nächtlichen Stadt. Einen Moment, der so zerbrechlich ist, dass die Vergänglichkeit bereits in jeder Sekunde mitschwingt. Mit einer beeindruckenden Schlussszene endet …

Warum »Moonlight« nicht der beste Film des Jahres ist – eine Filmkritik

Der 2017 mit einem Oscar als »Bester Film« gekürte Film »Moonlight« bewegt die Massen. Barry Jenkins entwirft in diesem Streifen die Lebensgeschichte des Jungen Chiron, die auch seine eigene ist. Der Trailer verspricht ein berührendes Drama über Homosexualität in der afro-amerikanischen Drogenszene. Jedoch scheitert die Umsetzung. Wieso der Film meiner Meinung nach sein Potential nicht vollkommen ausgeschöpft und mich die Umsetzung eher enttäuscht hat, lest ihr hier. (Für mich ist es definitiv nicht der beste Film des Jahres, auf dem Treppchen sehe ich dann doch eher »La La Land«. War die Oscarverwechslung an dieser Stelle vielleicht doch kein so großer Irrtum?)   Inhalt – kurz gesagt i. Little  Chiron ist ein kleiner Junge, der zur Schule geht und von allen nur Little genannt wird. Little ist das Gegenteil von allen anderen Jungen in seinem Alter – sehr ruhig, in sich gekehrt, verschlossen. Kein Wunder, denn er hat mit großen Problemen zu kämpfen. In der Schule muss er sich gegen seine Klassenkameraden verteidigen und zu Hause gegen seine drogensüchtige Mutter, die nur mit sich selbst und …

Humor als Schlüssel zum Leben: »Toni Erdmann« eine Film-Kritik

Maren Ade gelingt ein außergewöhnlicher Streifen, eine Tragikomödie, die ihresgleichen sucht und dem deutschen Film zu ganz neuen Höhen verhilft – einer der besten Filme seit langem! »Toni Erdmann« ist die Geschichte einer Vater-Tochter-Beziehung. In jeder Hinsicht ungewöhnlich und herzerwärmend! Der Musiklehrer Winfried Conradi und seine Tochter Ines haben sich entfremdet. Sie ist nun eine erfolgreiche Unternehmensberaterin in der rumänischen Hauptstadt Bukarest und ihr Lebensstil ist Welten entfernt vom gemächlichen Leben des zum derben Witz und skurrilem Ulk neigenden Vaters mit seinem gealterten Hund Willi. Winfried ist eine durchaus tragisch angelegte Figur. Die Familie kehrt ihm den Rücken, weil sie mit seiner Art, das Leben zu nehmen und seinem gewöhnungsbedürftigen Humor nicht umgehen können und er vereinsamt zunehmend. Er passt einfach nicht rein in die Runde Wein trinkender, durchgestylten Hobby-Jäger und die adretten, gutbürgerlichen Zahntechniker. Und erst recht passt er nicht zu seiner Tochter Ines, die jetsettende Karrierefrau, die in der Unternehmensberatung die „unpopulären Entscheidungen“ trifft, um noch weiter nach oben zu kommen. Doch Vater Conradi lässt es darauf ankommen! Nach dem plötzlichen Tod seines …